Ayurveda & Healthy Longevity

Geht der Megatrend wieder am Ayurveda vorbei?

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Beiträge rund um den Megatrend „Healthy Longevity“, der früher unter Anti-Aging bekannt war. Einfach nur eine neue Verpackung für ein altes Paket? Nicht ganz, denn die Langlebigkeitsforschung erhält seit einigen Jahren große Unterstützung.

Von Genanalysen, Stammzelltherapien, Labortests und Hormonersatztherapien über Mikronährstoffe und Schlüsselmoleküle, intermittierendes Fasten und Mikrobiomregulation bis zu VO2max und Biohacking – die Liste an relevanten Themen scheint grenzenlos.

Leider nur selten unter Würdigung und Einbeziehung ihrer ursprünglichen Quelle: Ayurveda. Und leider unter zunehmender Entfremdung von menschlichen Werten. Altern wird modern sehr technisch betrachtet, nahezu Alles gemessen und bedarfsgemäß „korrigiert“. Dabei geht es um viel mehr, nämlich eine zutiefst spirituelle Erfahrung von Vergänglichkeit.

Ayurveda ist eines der ältesten Medizinsysteme und die erste strukturierte „Anti-Aging-Medizin“ der Menschheit. Ich bevorzuge den Begriff Well-Aging, da es um gesundes und glückliches Altern geht. Ayus bedeutet gesunde Langlebigkeit und Veda ist das ganzheitliche Wissen darum.

Im wichtigsten alten Kompendium, der Charaka Samhita, steht:

„Eine Person, die eine Verjüngungstherapie (Rasayana) in Anspruch nimmt, erlangt Langlebigkeit, Erinnerungsvermögen, Intellekt, Freiheit von Krankheit, Jugendlichkeit, Glanz, Ausstrahlung, Stimme, exzellentes Potenzial von Körper und Sinnesorganen, Respekt und Brillianz.“

Wer sehnt sich nicht nach diesen herausragenden Qualitäten?

Und dennoch ist selbst vielen Ayurveda Fans und sogar manchen Professionals die wahre Dimension dieses Themas nicht bewusst. 

Als eines der acht ayurvedischen Fachgebiete prominent verankert, umfasst das Konzept von Rasayana Maßnahmen zur Unterstützung gesunder Alterung und zur gezielten Krankheitsprävention in allen Altersstufen. Rasayana kann ambulant und stationär durchgeführt werden.

Dadurch lassen sich Krankheiten wie Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Herz- und Gefäßerkrankungen, degenerative Entwicklungen im Bewegungsapparat und Nervensystem oft verhindern, verzögern oder abmildern.

Weshalb findet der Ayurveda in seiner Kerndisziplin so wenig Beachtung?

Was haben wir schon alles liegen gelassen?

Megatrends aus ökonomischer Sicht zeichnen sich a) durch das Angebot neuer Technologien, b) die wachsende Nachfrage und c) die Kapitalströme bzw. Investments, aus.

Alle drei Kriterien sind im Healthy Longevity Markt seit 2021 eindeutig und nachhaltig gegeben, sagt Prof. Dr. Dietmar Grichnik von der renommierten Universität St. Gallen, der zu diesem Thema wirtschaftswissenschaftlich forscht.

Es ist leider nicht das erste Mal, dass Ayurveda dem Erfolg „neuer Trends“, die er selbst begründet hat, regungslos zuschaut!

Acht Beispiele hierfür sind

  • das Verständnis von Salutogenese und Pathogenese,
  • das intermittierende Fasten und die Autophagie,
  • die Vermeidung chronischer Entzündungen (silent inflammation),
  • die Bedeutung unserer Darmgesundheit,
  • die therapeutische Relevanz gesunder Öle und Fette,
  • die Systematik von Detox-Kuren und Ausleitungsverfahren,
  • der Einsatz von Antioxidativa und wirksamen Heilpflanzen wie Curcuma, Weihrauch oder Piperin aus dem schwarzen Pfeffer,
  • die Pflege unserer Sinne und Bedeutung von Reizkontrolle.

 

Alles eigentlich ursprünglich ayurvedisch, aber kaum jemand weiß davon. Und diejenigen, die aus den Themen neue Trends kreieren, erwähnen oft nicht einmal, woher diese historisch stammen.

Nun könnten wir uns darüber aufregen. Klüger wäre allerdings, nach Antworten auf diese Frage zu suchen: wie können und wo müssen wir ayurvedische Entwicklungen und Erkenntnisse besser kommunizieren?

Rasayana – Quelle der Langlebigkeitsmedizin

Was ist am 2.000 Jahre alten Rasayana Konzept so einzigartig?

Seine Einbettung in eine große, perfekt durchdachte Systematik.

Seine körperliche, sinnliche, psychische und spirituelle Dimension.

Es beginnt mit der Reinigung des Körpers: ambulant durch einzelne Ausleitungsverfahren oder stationär im Rahmen einer vollständigen Panchakarma Kur mit drei Phasen. Ohne diese Vorbereitung wird Rasayana mit dem Färben eines schmutzigen Stoffes verglichen.

Nach der Reinigung werden die Rasayana Maßnahmen individuell ausgewählt. Es kommen substanzgebundene (Ernährung, Öle, Arzneien) und substanzlose (Verhalten, Geistestraining) Verfahren zum Einsatz.

Und als Highlight sogar ein Dunkelraumretreat (Kutipraveshika),  in dem körperliche Maßnahmen mit geistiger Praxis in einer reizabgeschirmten Umgebung verbunden werden. Einzigartig und mal wieder ayurvedisch!

Was müssen wir tun?

Um künftig als Motor wichtiger Gesundheitstrends zu wirken, müssen wir ayurvedische Konzepte klarer, wissenschaftlicher und verständlicher vermitteln. Weniger Sanskrit, mehr Anbindung an moderne Forschung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur westlichen Medizin aufzeigen.

Und dabei gleichzeitig die eigene Tradition und Systematik bewahren. Ayurveda folgt einer eigenen Logik der Ursachenerkennung, Diagnostik, Prävention und Therapie. Basierend auf der Lehre von fünf Elementen, drei Körperkräften (Vata, Pitta, Kapha), drei Geisteseigenschaften (Sattva, Rajas, Tamas) und vielen weiteren anatomischen und physiologischen Ansätzen.

Diese sind nicht unwissenschaftlich, sondern traditionell. Sie ermöglichen gesundheitliche Perspektivwechsel und geben Antworten auf viele Fragen, die von der modernen Medizin ausgeklammert werden.

Ein so umfassendes Gesundheitssystem wie Ayurveda muss aber auch die Stärke haben, eigene Schwächen oder Fehlkonzepte zu benennen. Nicht Alles, was vor 2.000 Jahren beschrieben wurde, ist heute noch haltbar.

Besonders wichtig ist ein professionelleres Auftreten und Aufklären in den digitalen Medien – durch Ayurvedamediziner mit eigener Praxis. Hier gibt es großen Nachholbedarf, da vor allem Social Media von Laien beherrscht werden. Solange dies so bleibt, haben wir Probleme mit Seriosität.

Rasayana im Sinne von Well Aging und Healthy Longevity ist eine riesige Möglichkeit für den Ayurveda, endlich den erhofften und verdienten Respekt und Durchbruch zu erlangen – bei Endkunden und in wissenschaftlichen Fachkreisen.

Lassen wir nach mehr als vier Jahrzehnten diese Chance nicht mehr liegen und zeigen Allen, dass gesundes und glückliches Altern keine Frage von Luxus und Reichtum ist, sondern viel mehr: ein Menschenrecht!

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